Die Landwirtschaft im vorigen Jahrhundert

Über tausend Jahre war die Dreifelderwirtschaft mit Brachland das vorherrschende Bodennutzungssystem. Sie war schon zur Zeit Karls des Großen im Jahre 800 in Deutschland häufig anzutreffen.

In einer Richtung der Dorfflur wurde Winterung ( Roggen oder Weizen ) angebaut, in der zweiten Sommerung ( Hafer oder Gerste ), und in einer weiteren lag der ungenutzte Bracheschlag. Auf ihm wurde der anfallende Viehdung ausgebracht, ud das Vieh hielt die Unkrautflora kurz, von Hütejungen bewacht.

Noch in den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts wurde die Vollbrache als Vorfrucht für Weizen im Kreis Segeberg durchgeführt, um durch wiederholte Bodenbearbeitung Schwarzbrache) die Unkräuter aus den Getreideschlägen besser bekämpfen zu können.

Die Dreiteilung der Gemeindeflur bedingte einen gewissen Anbauzwang, weil alle Bauern den gleichen Fruchtwechsel vornehmen mußten. Die Dreifelderwirtschaft mit dem Bracheschlag hatte eine hohe ökologische Stabilität, wurde aber mit geringeren Erträgen erkauft und darum im 18. Jahrhundert durch eine ökonomisch und ökologisch verbesserte Fruchtfolge verdrängt.

Johann Christian Schubarth (1734-1787) verbreitete die Nutzung der Brache mit Klee, Luzerne, Erbsen und später auch mit Futterüben und Kartoffeln.
Diese verbesserte Dreifelderwirtschaft ist noch heute, zweihundert Jahre später, das Grundmuster vieler gängiger Fruchtfolgen.
Eine weitere ökologische und ökonomische Verbesserung der Fruchtfolge entdeckte Dr. Albrecht Daniel Thaer (1752-1828). Er erhielt neue Anregungen aus England und erkannte den bodenbereichernden Wert der Blattfrüchte.
Das von ihm erprobte Fruchtwechselsystem durchbrach das Dreifelderprinzip und war deshalb revolutionär für die Landbautechnik. Seine Entdeckungen des Vorfruchtwertes von Futterpflanzen verschafften ihm, dem studierten Mediziner aus Celle, einen europäischen Ruf.

Innerhalb weniger Jahrzehnte übernahmen Landwirte in Nordeuropa, in England, in Holland und auch bei uns, den Fruchtwechsel und kombinierten ihn zum Teil mit der Dreifelderwirtschaft.
In Holstein war statt der Dreifelderwirtschaft die Feldgraswirtschaft gebräuchlich. In mehrjährigem Turnus ließ man den Acker nach 4 Kornjahren einige Jahre in Weide liegen. Aber der Futterbestand hatte sich meistens durch Eigensaat gebildet und wurde durch die Beweidung von Jahr zu Jahr kümmerlicher.
Erst der gezielte Anbau von Futterpflanzen auf dem Acker ermöglichte eine verbesserte Futterversorgung im Winter.
Bis dahin war das Vieh im Winter mehr oder weniger durchgehungert worden, und etliche Tiere mußten im Frühjahr liegend am Schwanz (Schwanzvieh) aus dem Stall und auf einer Schleppe auf die Sommerfläche gezogen werden.

Der Flurzwang wurde aufgehoben und die Verkoppelung gefördert!.
Im 18. Jahrhundert empfanden fortschrittliche Dorfbewohner den Flurzwang zunehmend als Fessel, die den ackerbauliehen Fortschritt behinderte.
Man begann hier und da, einzelne Flächen aus der kollektiven Bewirtschaftung herauszunehmen.
Dieses Umdenken von der germanischen zur kapitalistischen Einstellung zum Eigenbesitz am Boden führte zu einer Verordnung, die König Christian VII, König von Dänemark und Norwegen von 1766 bis 1808 und Herzog von Schleswig und Holstein , erließ

Nachträgöiche Anmerkung
Hirschholm, 25 km nördlich von Kopenhagen nahe am Öresund , ist der Standort einer mittelalterlichen Burg/Schloß, auf einer kleinen Inse gelegen , und Christian VII (1749-1808 ) wohnte dort. Der Ort hatte bereits im 15. Jahrhundert das kleine Schloss, das König Christian VI. im Jahr 1721 von seiner Mutter Louise zu Mecklenburg erbte. Er und seine Gemahlin ließen es aus- und umbauen und bezogen das neue Schloss Hirschholm (Hirschholm Slot) im Jahr 1739.
.Nach Sophie Magdalenes Tod (1770) lebten dort von 1770 bis 1771 ihr Enkel mit seiner Gemahlin Caroline Mathilde sowie ihr deutscher Leibarzt Johann Friedrich Struensee . Nach der Geburt von Louise Auguste von Fänemark, dem Auszug des Königspaares und der Affaire Struensee wurde das Schloss nicht weiter bewohnt und im Jahr 1810 abgetragen

Hier noch einmal der Text der Verordnung:

Auszug aus der Verordnung vor 200 Jahren :

Flensburg,
gedruckt in der Serringhausenschen Buchdruckerey.

Verordnung,
die Aufhebung der Feld-Gemeinschaften und die Beförderung der Einkoppelungen betreffend.
Für die Ämter, Landschaft und Städte des Königlichen Antheils des Herzogthums Holstein, imgleichen die Herrschaft Pinneberg und die Grafschaft Rantzau.
Sub Dato Hirschholm, den 19 ten Novemb. 1771 L.S.
Wir Christian der Siebende, von Gottes Gnaden König zu Dännemark, Norwegen, der Wenden und Gothen, Herzog zu Schleswig, Holstein, Stormarn und Dithmarschen, Graf zu Oldenburg und Delmenhorst Ihun kund hiemit: Wie Wir zwar, vermöge der, unter 16 ten Maji 1768 erlassenen Verordnung, sowol das vormalige General-Landwesen-Collegium, als die Schleswig-Holsteinische Land-Com mission, mit der Absicht niedergesetzet, um auch Unseren Antheil des Herzogthums Holstein die an sich so nutzbaren Feld-Abtheilungen und Einkoppelungen zu befördern; Wir indessen an Uns abgestatteten allerunterthänigsten Berichten wahrgenommen haben, daß, obgleich in einigen Districten theils damit der Anfang gemacht, theils auch diese neue Einrichtung schon ziemlich weit gebracht sey, dennoch an andern Orten dagegen solche Schwierigkeiten sich äußern, denen ohne eine gesetzliche Vorschrift nicht abzuhelfen; Daß Wi r dahero, um die hier aus bis jetzo entstandene Hindernisse fürs Künftige zu heben und ausdem Wege zu räumen für die Ämter Segeberg und Rendsburg, so wie für die Herrschaft Pinneberg,die Grafschaft Rantzau und die Geest-Districte der Landschaft Süder-Dithmarschen, wie auch die übrigen zu Unserem Antheil des Herzogthums Holstein gehörige Amts-Districte, nicht minder sämtlich darin belegene Städte, in so weit es allda zur Anwendung zu bringen, folgendes anzuordnen für gut befunden haben.
Quelle : 0. Denks " Mit der Flurbereinigung in die 5-Tage-Woche "

Die dann folgenden. Paragraphen enthalten die Durchführungsbestimmungen des damaligen Fluraufteilungsverfahrens.
Der obigen Präambel ist zu entnehmen, daß die Dorfbewohner in etlichen Dörfern bereits vorher begonnen hatten, die Dorfflur auf freiwilliger Basis ohne die nachdrückliche Unterstützung gesetzlicher Regelungen aufzuteilen.
Die Aufhebung des Flurzwanges in den holsteinischen Ämtern und die Leibeigenschaft in den Gutsbezirken veränderten die sozialen und wirtschaftlichen Strukturen im ländlichen Raum entscheidend.
Der einzelne Landwirt war nicht mehr an die Beschlüsse der Dorfgemeinschaft gebunden und bewirtschaftete künftig in jedem Jahr die gleichen Flächen.
Zudem konnte er seine zu Eigentum gewordenen Flächen individuell und seinen Neigungen entsprechend bewirtschaften.
Er war nun ein freier Unternehmer geworden.
Damit wurde auch der Weg frei für Eigentumsveränderungen der Flächen, für deren Beleihung und konsequenterweise auch für Unternehmerpleiten weniger erfolgreich wirtschaftender Bauern.
Erst die Aufhebung der Feldgemeinschaften begünstigte im Sinne von Schubarth und Thaer die Auflockerung der Dreifelderwirtschaft durch Blattfrüchte, und fortschrittliche Landwirte setzten die neuen Ideen in die Praxis um.
Zur gleichen Zeit entdeckte Adam Schneekloth , ein Bauer aus der Propstei, die bodenverbessernde Wirkung des Mergels.
(Quelle: H. Pöhls " Zur Geschichte unserer Landwirtschaft" Heimatkundliches Jahrbuch für den Kreis Segeberg 1985)
Das Mergeln schuf die Anbauvoraussetzungen für die kalkbeürftigen Futterpflanzen.
Die bisher geschilderten Entdeckungen und Siedlungsmaßnahmen bewirkten eine grundlegende Änderung der Landbewirtschaftung und begannen das Landschaftsbild zu verändern.
Wurden vorher nur Roggen, vereinzelt Hafer, Gerste, Buchweizen und etwas Flachs angebaut, so bereicherten nun Klee, Luzerne, Kartoffeln, Raps und Futterrüben die heimischen Fluren.
Aber das war ein langsamer Wandel, der mehr als hundert Jahre dauerte.

Dem Kammerherrn Ludwig Carl von Rosen, Amtmann im Segeberg von 1818 - 1853, verdanken wir Zahlenmaterial des alten Amtes Traventhal aus dem Jahre 1825.
Lassen wir ihn zu Wort kommen :
Ackerbau und Viehzucht
Die über den Viehbestand und die Kornproduktion eingegangenen Nachrichten haben folgende Resultate ergeben.
Unter dem urbaren Areal des Amtes Traventhal von 11 406 Tonnen beträgt das Wiesenland 1 131 Tonnen 2 7/8 Scheffel.
Das Wiesenland verhält sich also zum Pflugland wie 1 : 10 im Amt Traventhal.
Die Einbeziehung dieser Nachricht hatte darum ein besonderes Interesse, weil in dem natürlichen Verhältnis zwischen Acker und Wiesen in der Regel die Basis gegeben ist, nach welcher Ackerbau oder Viehzucht vorzugsweise den Betrieb des Landmannes ausmachen.

Der Viehbestand im Amte Traventhal war im Jahre 1825 folgender :
Pferde 737
Milchkühe 1913
Jungvieh 583 =2 496 Rinder
Schafe 532

Die Kornproduktion des Jahres 1825 :
237 3/ 1 Tonnen Weizenaussaat erbrachten 1 770 3/4 Tonnen Ernte
1240 1/4 Tonnen Roggenaussaat erbrachten 7 823 1/2 Tonnen Ernte
213 1/ 1 Tonnen Gerstenaussaat erbrachten 1 576 1/2 Tonnen Ernte
277 3/4 Tonnen Buchweizenaussaat erbrachten 1 827 Tonnen Ernte
3 136 Tonnen Haferaussaat erbrachten 17 147 1/2 Tonnen Ernte

Auffallend ist der vorherrschende Anbau von Hafer. Von allen übrigen Kornarten zusammen sind ausgesäet : 1 969 Tonnen, von Hafer 3 136 Tonnen Saatgutgewicht
Dabei ist freilich in Betracht zu ziehen, daß ca. 2 Tonnen Hafer in dasselbe Landmaß fallen, worin z.B. 1 Tonne Roggen gesäet wird.
Die Ernte von Weizen, Roggen, Gerste und Buchweizen zusammen beträgt 12 997 3/4 Tonnen, von Hafer allein 17147 1/2 Tonnen.
Die Haferkonsumtion für den eigenen Viehbestand und das bedeutende Quantum, welches zur jedesmaligen Aussaat erforderlich war, erklärt das Verhältnis einiger Maße.
Die Saatenfolge erfordert überdies zur bestimmten Zeit Sommerkorn.
Buchweizen aber wird im Amt weniger gebaut, weil der Boden für diese Kornart zum Teil zu gut ist.
Im Dorfe Niendorf, wo der leichteste Boden vorhanden ist, ist der Anbau von Buchwizen, wie die nachstehende Tabelle zeigt, am häufigsten.

Eine Vergleichung der Aussaat mit der Ernte ergibt, daß im Amte Traventhal im Jahre 1825

der Weizen 8 fältig
Gerste
7 fältig
Buchweizen 7 f
ältig
Roggen 6 1/2 fältig
Hafer 5 1/2 f
ältig
eingetragen hat, ein Ertrag der Ernte, der höchstens als mittelmäßig bezeichnet werden kann.
Auch ist das Jahr 1825 nicht als besonders ergiebig für den Ackerbau anzusehen.

Zur Übersicht, wie der Viehbestand und die Kornproduktion in den einzelnen Dorfschaften sich zeigt, sind nachstehende Tabellen formiert worden.

Quelle : Landesarchiv Abt. "100 I No. 264
und E. Kroger " Das Amt Iraventhal im 1. Viertel des 19.Jahrhunderts"
Heimatkundliches Jahrbuch für den Kreis Segeberg 1975,

Auf den ertragreicheren Böden des Amtes Segeberg lagen um 1800 die Erträge
für Weizen unter 15 dt/ha
für Roggen und Gerste unter 10 dt/ha
und Hafer zwischen 5-6 dt/ha .

Heute (1980) werden 70/dt ha Weizenertrag als Durchschnitt angesehen , und in Einzelfällen überschreiten Spitzenerträge 100 dt/ha.
Die Milchleistung einer Kuh übertraf damals nur in Ausnahmefällen 1.000 Liter im Jahr, wobei die durchschnittliche Jahresleistung höchstens 600 Liter betrug.
Heute sind es fast 6.000 kg Milch/Kuh.
Die Züchtung auf Milchleistung lag erst in den Anfängen, denn die Fähigkeit der Tiere, Hungerperioden zu überstehen, war immer noch das natürliche, erstrangige Selektionsmerkmal.
Die Unkrautproduktion der Brache als Futtergrundlage für das Vieh wurde durch einen mehrjährigen Grasschlag ( Dreesch ) auf dem Acker abgelöst.
Im 8-jährigen Turnus folgten auf 4 Jahre Dreesch Roggen, Hafer, Buchweizen und noch einmal Roggen.
Diese Bodennutzung nannte man später " Holsteinische Koppelwirtschaft ", da sie in einer Landschaft gebräuchlich war, die nach 1800 systematisch durch Knicks und Wallhecken in Koppeln unterteilt war.

Amtmann von Rosen schreibt dazu :

Die gewöhnliche Koppeleinteilung der Hufen ist in 8 oder 9 Schlägen, die im Durchschnitt etwa 10 Steuertonnen halten. 4 oder 5 Koppeln liegen in Weide, 4 werden besäet, und zwar nach der üblichen Saatenfolge:
Im ersten Jahr nach dem Aufbrechen des Dreesches mit Buchweizen, im zweiten Jahr mit Roggen, im dritten Jahr mit Hafer, im vierten wiederum mit Roggen.
Die erste Roggenaussaat wird, weil die Düngung nach Buchweizen erfolgt, der fette Roggen, die letzte in der Regel ohne Düngemittel bestellte Saat, nach welcher das Land zur Weide wiederum liegen bleibt, der magere Roggen genannt.

Aber mitten im heutigen Kreis Segeberg, im Dreieck Bad Bramstedt - Neumünster - Segeberg waren weitreichende Flächen unbebaut und von Menschenhand kaum berührt.
Heide- und Moorflächen, Buschwald und dürftige Hutungen bestimmten das Landschaftsbild der Segeberger Heide und der angrenzenden Fluren, und Schafherden hielten in der Heidekraut-, Ginster- und Krattbuschlandschaft Gras und Krauter kurz.
Kaum hatten einige Landwirte die anbautechnischen Neuerungen erst in Ansätzen nutzbar gemacht, als bereits weitere bahnbrechende Entdeckungen den Weg für eine noch höhere landwirtschaftliche Intensität bereiteten.
Zum einen entdeckte Justus Freiherr von Liebig (18o3-1873) 1840 die Bedeutung der Kernnährstoffe Kali, Phosphorsäure und Stickstoff.
Noch zu seinen Lebzeiten vervollständigte sich das Gedankengebäude der Pflanzenernährung, und seine Lehre setzte sich gegen seine Widersacher durch, die nur den Stickstoff und mit ihm die organischen Dünger als pflanzennotwendige Ersatzstoffe ansahen.
Die Versorgung der Ackerböden mit Kalisalzen, mit Rohphosphaten, mit Salpeter aus Chile und Naturdünger Guano (Vogelexkremente) aus Peru ergänzten bald die wirtschaftseigene Jauche und den Stallmist.
Der Stickstoff als Motor für das Massenwachstum der Pflanzen wurde vermehrt nach 1900 eingesetzt, nachdem Haber und Bosch 1906 die Bindung des Luftstickstoffes technisch lösten, und die Industrie Stickstoffhandelsdünger nach diesem Verfahren produzierte.
Zum weiteren war 1851 die Londoner Weltausstellung mit ihrem Angebot an Drill-, Hack-, Mäh- und Dreschmaschinen ein Signal für die Technisierung in England und Mitteleuropa.
Obwohl der Vorteil des Mergeins bereits lange bekannt war, machte erst der Einsatz der Technik die Rekultivierung der Moor- und Heideflächen möglich.

Otto Pingel, Großenaspe , berichtet im Heimatkundlichen Jahrbuch 1966 des Kreises Segberg über

Die Bemergelung der Großenasper Feldmark

" Schon im vorigen Jahrhundert kam der Bauer zu der Erkenntnis, daß unserer Feldmark Kalk und Mergel fehlten. Die Erkennungszeichen für diesen Mangel waren der wilde Sauerampfer, der Hasenklee und die wilden Stiefmütterchen. Der Naturklee, der weiße Klee, fehlte auf Weiden und Wiesen völlig. Angesagter Rotklee und andere Kleesorten kamen nicht zum Vorschein, da weder Kalk noch Mergel im Boden waren.
Da schritt der Bauer zur Selbsthilfe. Es wurde die Feldmark nach Mergel abgesucht. Man kann heute noch viele Kuhlen finden, aus denen der Mergel entnommen wurde, so im Lubuk, den Wiesen von Max Asbahr und Karl Starken, am ersten Weg links hinter der Bahn Richtung Brokenlande; dann am Weg nach dem Höpen zwischen dem Haus Weber und Lony; am gleichen Weg auf der Koppel von Klahn; hinter Lemburg links, abseits der Straße zur Freiweide, die Lehmkuhlen von Ernst Henning u.a.m. Das Mergelgraben war eine schwierige Arbeit. Der Mutterboden mußte abgetragen und beiseitegeschafft werden, bis man an den Mergel herankam. Man grub so tief, wie es die Wasserverhältnisse erlaubten. Ja, oftmals ging es in Tiefen bis zu drei Etagen. Es wurden an der Steilwand Krippen befestigt, und so wurde der Mergel von Krippe zu Krippe geworfen, bis er oben zurückgeworfen werden konnte. Zur Untersuchung der Tauglichkeit des Mergels verwandte man Scheidewasser. Drei Tropfen tröpfelte man auf den Mergel.
Wenn der Mergel gut war, so brauste der in ihm enthaltene Kalk auf. War kein Aufbrausen festzustellen, so war der Mergel für die Bodendüngung ungeeignet.
Die Gewinnung des Mergels wurde im Winter durchgeführt. Die Arbeit ging von mor gens früh bis abends spät.
Feierabend wurde gemacht, wenn so viele Sterne am Himmel standen, wie Leute bei der Arbeit waren.
Wenn nun soviel Mergel gewonnen war, daß es schwierig wurde, ihn oben zurückzuwerfen, dann wurde er aufs Land gefahren.
Hier mußte er in kleinen Haufen liegen, daß er durchfrieren konnte und feinkörnig wurde. Bei Tauwetter wurde er dann auseinandergeworfen.
Wenn die Zerkleinerung durch den Frost nicht ausreichte, wurden die gößeren Stücke mit einem Holzschläger (Slav) zerschlagen.
In Jahre 1908 wurde die Mergelbahn gebaut.
Nun wurde der Mergel, der aus Schmalfeld kam, mit Baggern gewonnen und auf Loren verladen, die dann von einer Schmalspurdampflokomotive gezogen wurden.
Der Mergel wurde in großen Haufen auf das Land gekippt. Ein Kubikmeter kostete drei Mark.
Die Bahn ging über Bimöhlen und erreichte von dort bei der Koppel " Steensdrüppel " Großenasper Gebiet. Jeden Tag wurde das Gleis vorverlegt und der bestellte Mergel gekippt.
Auf der " Spannsted ", der Koppel des Siedlers Franz Eckert am " Grünen Plan ", stand die Baracke, die Unterkunft für Mann schaft und Lokomotive war.
Es wurden viele Tausende Kubikmeter Mergel herangefahren.
Aber in Schmalfeld versiegte der Mergel, und so wurde der westliche Teil der Großenasper Landereien mit Mergel aus Wiemersdorf befahren.
Die Belieferung mit Mergel hatte einige Jahre in Anspruch genommen. Bei den Bauern gab's nun viel Arbeit. Jeden Winter wurde Mergel gefahren.
Im Herbst wurde er mit Kaff abgedeckt, damit er nicht im Haufen festfror und aufgeladen werden konnte. Auch diese Arbeit hat Jahre in Anspruch genommen.
Ja, man findet heute noch Haufen, die nicht auseinandergefahren sind. Nachdem nun die Bemergelung durchgeführt war, gediehen auch hier der Klee und die edlen Grassorten.
Man findet heute noch Parzellen, die nicht bemergelt wurden und auf denen der Klee nicht wachsen will, obgleich heute doch der Mangel an Mergel durch Kalk aufgeholt ist.
Der sog. Weißhafer, der damals viel angebaut wurde, ließ im Ertrag bedeutend nach, da der Boden durch den Mergel zu locker wurde.
Die Kartoffeln waren mit einer Rostschicht überzogen, ein Zeichen von zu hohem Kalkgehalt.
Nach Ansicht der Wissenschaftler soll der Mergel etwa 30 Jahre im Boden vorhalten. Die sind bereits verstrichen.
Durch die Nachkalkung, die der Bauer laufend vornimmt, wird der Kalkgehalt im Boden erhalten. Im Sommer 1911 wurde die Bemergelung der gesamten Feldmark abgeschlossen. "

Bis um 1900 wurde das Landschaftsbild der Sanderflachen im Amtsbezirk Wahlstedt und in den angrenzenden Gebieten total verändert.
Ein Dampfpflug brach die Segeberger Heide um, und die Flächen wurden mit Hilfe von Naturmergel aufgekalkt.
In jenen Jahrzehnten bildeten sich zahlreiche Mergelverbände. Aus der Heide wurde Weide und Ackerland; auch die geschlossenen Waldflächen des Segeberger Forstes entstanden in dieser Zeit.

Der Dampflug

Der zweckmäßigste Dampfpflug arbeitet nach dem Zweimaschinensystem, siehe unteres Bild.
An den beiden Kopfenden des zu bearbeitenden Ackers wird eine Lokomotive aufgestellt, die unter ihrem Kessel mit einer Windetrommet versehen ist.
Von beiden Windetrommeln wird ein Seil nach dem Ackergerät geleitet sodaß es der abwechselnde Zug der Maschinen hin und her bewegt..
Sobald das Bobenbearbeitungsgerät bei der arbeitenden Maschine angelangt ist, rückt diese um die doppelte Breite des zu bearbeitenden Furchenstreifens vor,
während das Gerät für die Arbeit in entgegengesetzter Richtung eingestellt und für die neue Fahrt eingesteuert wird.
Alsdann beginnt die gegenüberstehende Machine ihre Arbeit usw..


Eine Lokomotive von Fowler mit der am gebräuchlisten horizental gelagerten Seil-Windetrommel ist unten abgebildet.


Quelle : Landwirtschaftslexikon 1920, Paul-Parey-Verlag

Als weitere aufsehenerregende Pionierleistung ist die Wiederentdeckung der Gesetzmäßigkeiten der Vererbung von Merkmalen durch Gregor Mendel (1822-1884) zu erwähnen.
Die Anwendung von Vererbungsgesetzen in der Tier- und Pflanzenzucht war Wegbereiter einer gezielten Züchtung bis hin zur heutigen Gentechnologie.

Biologischer und naturwissenschaftlicher Landbau unter Nutzung der Technik wurden Auslöser einer Ertragssteigerung in der Landwirtschaft, die heute noch fortwährt und mit den Überschußbergen den Agrarpolitikern inzwischen über den Kopf gewachsen ist.
Die Lawine der jetzigen Agrarüberproduktion hat ihren Ursprung in der Agrarrevolution vor mehr als 150 bis 200 Jahren.

An dieser Stelle müssen wir uns fragen, warum längst bekannte landwirtschaftliche Entdeckungen erst mit der Verzögerung eines Jahrhunderts allgemein angewendet wurden.

Friedrich Aereboe (1865-1942), der Altmeister der heutigen landwirtschaftlichen Betriebslehre, antwortete darauf wie folgt:

" In der Landwirtschaft liegt die Hauptquelle aller Störungen in den Schwierigkeiten des Übergangs zu neuen, produktiveren Formen, also nicht in den mangelhaften Fortschritten, sondern in deren Anwendung durch die Menschen. Die Köpfe der Menschen sind der Boden, der oft nicht so schnell ertragsfähig gemacht werden kann, wie es erforderlich ist. Hier stürmen Wissenschaft und Technik voraus und nur langsam geht es vorwärts mit deren Anwendung in der großen Praxis. "

Prof. Fritz Baade, dessen Buch " Brot für ganz Europa "das obige Zitat entnommen ist, bemerkt dazu:

Wer da behauptet, daß das " Ökonomische Gesetz der landwirtschaftlichen Produktionssteigerung in Europa" in engem Zusammenhang mit dem Niveau der allgemeinen Bildung und besonders der bäuerlichen Fachausbildung, der davon abhängigen Ausbreitung technischer Fortschritte und den dadurch wieder bedingten Ertägen in Acker und Viehstall steht, macht sich erklärlicherweise nicht überall beliebt.