Die Landwirtschaft nach dem 1. Weltkrieg

Nach 43 Friedensjahren (1871-1914) unterbrach der 1. Weltkrieg den steten Fortschritt der naturwissenschaftlichtechnisch orientierten Landwirtschaft.
Handelsdünger, Futtermittel und schließlich auch Arbeitskräfte wurden kriegsbedingt knapper, und ihr Mangel bewirkte eine extensivere Landwirtschaft.
Dabei wäre gerade wegen der Einfuhrblockade im Krieg eine Intensivierung der heimischen Landwirtschaft geboten gewesen.
Im 1. Weltkrieg wurde Hunger als Folge mangelnder Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln eine bittere und lange Jahre unvergessene Erfahrung unseres Volkes.
Die Agrarpolitik der folgenden Jahrzehnte konnte die Förderung der Landwirtschaft noch mit dem Argument der Ernährungssicherung verkaufen,
als Fachleuten bereits klar war, daß entgegen der Lehre von Malthus die Agrarproduktion schneller wuchs als die Bevölkerung.
Die Kriegsfolgen für den Einzelbetrieb, wie die Unterversorgung der Böden mit Handelsdüngern und der Substanzeingriff in die Viehbestände, wurden nach Kriegsende schnell ausgeglichen.
Zudem nutzten rechnende Landwirte die für sie günstige Preis-Kostensituation der Inflation.
Sie tilgten mit "schlechtem" Geld die Kredite und finanzierten mit wertloser werdendem Papier langfristige Investitionen wie Gebäude und Maschinen.

Ein Kilogramm Roggenbrot (mit Zusatz von Weizenmehl) kostete :

im Dezember 1913 26 Pfennig
im Dezember 1916 34 Pfennig
im Dezember 1919 80 Pfennig
im Dezember 192o 2,37 Mark
im Dezember 1921 3,90 Mark
im Dezember 1922 163,15 Mark
im Januar 1923 250 Mark
im Februar 1923 389 Mark
im März 1923 463 Mark
im April 1923 474 Mark
im Mai 1923 482 Mark
im Juni 1923 1 428 Mark,
im Juli 1923 3 465 Mark
im August 1923 69000 Mark
im September 1923 1 512 000 Mark
im Oktober 1923 1 743 000000 Mark
im November 1923 201 000000000 Mark
im Dezember 1923 399 000000000 Mark

Quelle: Hans Claußen "Die Inflation"Heimatkundliches Jahrbuch für den Kreis Segeberg 1964

Der Abstand zur Technisierung der amerikanischen Landwirtschaft vergrößerte sich zunehmend. Amerika hatte nicht unter den Kriegseinwirkungen gelitten, sondern umgekehrt von dem erhöhten Nahrungsbedarf während der Kriegszeit profitiert und produzierte mit noch leistungsfähigerer Technik mehr und mehr und mehr.

Ein Vergleich der beiden Abbildungen legt den Schluß nahe, unsere Landwirtschaft wäre damals recht rückständig gewesen. Diese Annahme ist irrig. Natürlich war in Amerika die Landtechnik weiter entwickelt, und mit ihrer Hilfe konnten dort immer mehr Flächen in Kultur genommen werden. Dafür hatten unsere Landwirte aber zunehmend die Altmeister Thaer und Liebig begriffen und betriebswirtschaftlich die Lehren eines Johann Heinrich von Thünen und eines Friedrich Aereboe verstanden.
Bei uns war der Ackerboden nicht vermehrbar, und dennoch produzierten auch die europäischen Landwirte mehr, aber auf gleicher Fläche. Sie pflügten und düngten den Acker, im wahrsten Sinne des Wortes, tiefer.
Ihr ökonomisch richtiges Ziel: Den Umsatz je Hektar steigern.

In der amerikanischen Volkswirtschaft war seit eh und je die Arbeitskraft der knappste Faktor. Dort rangierte die Arbeitsproduktivität vor der Flächenproduktivität. Diese Entwicklung stand uns noch bevor. Im Gegenteil: Bei uns mythologisierte der Irrglaube vom "Volk ohne Raum" die Agrar- und Siedlungspolitik. Aus der Rückschau ist es erstaunlich, wie schnell unsere Landwirtschaft ihre Produktion in den zwanziger Jahren stabilisieren konnte.
Mehrjährige Daten eines Betriebes südöstlich von Segeberg mögen das verdeutlichen

 

Quelle : Dissertation von Hans-Heinrich Wulf " Die wirtschaftliche Entwicklung von 9 bäuerlichen Betrieben bei Segeberg in den Jahren von 1924 - 1951 "

Der mehrjährige Vergleich des dargestellten Betriebes läßt erkennen, daß die Flächenerträge wieder anstiegen und die Gewinnsituation sich Ende der zwanziger Jahre verbessert hatte.

Der Weg in die Überproduktion war offen.
Es fehlten nur noch 43 Jahre Frieden wie vor dem I. Weltkrieg mit dem dann zu erwartenden vermehrten Einsatz der Technik nach amerikanischem Muster.

Aber statt dessen kam die Weltwirtschaftskrise mit ihren verheerenden politischen Folgen für Europa.
Fleißige Landwirte in Übersee und in Europa produzierten mehr Nahrungsmittel als der Markt aufnehmen konnte.
Der Weizenpreis sank um Krisenjahr 1930 um Zweidrittel. Roggen brachte je Zentner 6 M Erlös.
Handwerker, Gewerbetreibende und Banken machten Pleite, Bauern gerieten in den Zwang, verweigerten dem Staat die Steuerschuld, wurden politisch radikal und gerieten in Neumünster, ob friedfertig oder nicht, mit der Polizei aneinander wie heute, friedfertig oder nicht, Atomkraftgegner.

Zwei Beobachter des Zeitgeschehens haben darüber geschrieben:
Ernst von Salomon in "Der Fragebogen"
Hans Fallada einen ganzen Roman : "Bauern, Bonzen und Bomben".

Selbst besonnene Bauern verstanden die Welt nicht mehr, die 13 Jahre nach den Hungerjahren die Landwirtschaft mit ihren Existenzsorgen sich selbst überließ. Die Weltwirtschaftskrise zerstörte nicht nur viele Unternehmen, auch die Weimarer Republik wurde ihr Opfer. 1933 besetzten die Nationalsozialisten den Staat mit all seinen Organen.

Die "Erzeugungsschlacht"

Das Ziel der nationalsozialistischen Agrarpolitik war die Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln in Kriegszeiten. Aus den Fehlern des I. Weltkrieges mit seinen Hungerjahren hatte man gelernt.
Diesem einen Ziel diente ein Katalog von Maßahmen. Vorbedingung war, die Landbevölkerung mehrheitlich für die "Erzeugungsschlacht" zu gewinnen. So nannte man das Vorhaben propagandistisch.
Bauern und Berater erlebten als Garanten der Ernährungssicherung in Krisenzeiten eine Aufwertung ihres Berufsbildes. Ihre Berufsausübung wurde zum staatspolitischen Auftrag hochstilisiert.
Aber auch die Frauen, ganz besonders die Bäuerinnen, wurden von den Machthabern hofiert, um sie politisch zu vereinnahmen.
Gekrönt wurde der Blut-und-Boden-Rummel durch das Erntedankfest, im Deutschen Reich auf dem Bückeberg bei Hameln, mit dem "Führer" in der Hauptrolle, inszeniert.

Mit welchen staatlichen Mitteln überwand die Landwirtschaft die Folgen der Weltwirtschaftskrise ?

Die erste Maßnahme war die Entschuldung der Betriebe, indem Gläubiger teilweise auf ihre Forderungen verzichten mußten.
Ihr folgte logischerweise das Reichserbhofgesetz, das eine unkontrollierte Neuverschuldung und mögliche Zwangsversteigerung der Höfe verhinderte.
Aber der vor 150 Jahren nach Aufhebung des Flurzwanges frei gewordene unternehmerische Bauer wurde dadurch in einem wesentlichen Unternehmensbereich, im Bereich der Finanzierung, wieder entmündigt, wie zu Gutsherrenzeiten.

Zwei Bilder aus der Dia-Serie "Reichserbhofgesetz" veranschaulichen das propagandistische Geschick:

Sodann organisierte man den Agrarmarkt nach innen und nach außen. Der Staat setzte die Mengen und Preise für eingeführte Agrarprodukte und die Erzeugerpreise im Inland fest.
In den Jahren 1933 und 1934 war der Weizenpreis auf dem deutschen Markt mit 20 RM je dt zweieinhalb mal höher als der Weltmarktpreis.
Aber damit nicht genug, regelte der Staat, an welche private oder genossenschaftliche Meierei der Landwirt die Milch und an welchen genossenschaftlichen oder privaten Handel er das Getreide abliefern durfte.
Selbst für die Milchhändler war festgelegt, von welcher Meierei sie beliefert wurden.
Aus "abliefern durfte" wurde für die Landwirte recht bald mit Kriegsbeginn "abliefern mußte".
Aus dem Lieferrecht zu höheren Preisen wurde eine Lieferpflicht, deren Hohe sich ganz einfach an den freiwilligen Lieferungen der Vorjahre orientierte. Hofkartei und exakte Unterlagen bei den Erfassungstellen lieferten die Daten.
Die Entschuldung der Landwirtschaft und die Regulierung der Märkte nach der Weltwirtschaftskrise war keineswegs eine Erfindung der Nationalsozialisten.
An der Problemlösung hatten Fachexperten bereits vorher gearbeitet. Die Nationalsozialisten überfrachteten die Sacharbeit zusätzlich mit ihrer Ideologie und nutzten sie für ihre kriegsvorbereitenden Ziele.
Das wichtigste Mittel, um zu höheren Erträge auf dem Acker zu kommen, war seit Liebig der Handelsdünger:
Kalk schafft Leben, und der Stickstoff ist der Motor für das Massenwachstum.
Das war seit langem bekannt. Der Stickstoff aus heimischer Industrie kostete nur 0,50 RM je kg Reinstickstoff, statt der 1,40 RM im Chilesalpeter vor dem 1. Weltkrieg.
Landwirtschaftslehrer und Berater zogen im Rahmen einer Bodenpflichtkontrolle viele Bodenproben und analysieten in einer schuleigenen Untersuchungsstelle den Kalkgehalt.
Mit Hilfe der Düngungsempfehlungen verbesserten die Landwirte die Kalkzufuhr der Böden, undzusätzlich steigerten sie den Handelsdüngeraufwand. Im zweiten Weltkrieg wurde die Landwirtschaft weiterhin mit Handelsdünger versorgt.
Da die Zuteilungen sich am Vorkriegsverbrauch orientierten, war mancher Landwirt seinem Berater dankbar, der Jahre zuvor einen vermehrten Handelsdüngereinsatz empfohlen hatte. Hinzu kamen staatliche Zuschüsse für Grünlandumbruch, Weideunterteilung, Ödlandkultivierung, Bau von Dung- und Jauchegruben, Futtersilos und Landarbeitehäusern.
Mit der intensiveren Bodennutzung verbesserte sich die Futtergrundlage für das Vieh.
Der Zwischenfruchtbau zur Futtergewinnung oder Gründüngung im Sinne von Schubarth und Thaer verdrängte mehr und mehr die letzte Brache.
Dem letzten konservativ wirtschaftendem Landwirt wurde vermutlich spätestens im 1. Kriegsjahr die ökonomisch längst überholte Vollbrache per "Führerbefehl" verboten.
Ein wichtiges Mittel, um zu höheren Erträgen im Viehstall zu kommen, ist die Leistungskontrolle.
Das Messen und Wiegen der Milch mit ihren Inhaltsstoffen liefern dem Milchviehhalter Hinweise zur Zuchtauswahl der Tiere.
Nur auf Tierschauen mit dem Auge zu vergleichen und mit dem Zollstock die Widerristhöhe der Tiere zu messen, reicht nicht für eine Rendite im Kuhstall.
Logischerweise und systemgerecht verordnete der Staat diktatorisch die Milchleistungskontrolle für Milchkühe.
Jeder Kuhhalter mußte einem Kontrollverein beitreten, gleichzeitig wurde die genossenschaftliche Zuchtbullenhaltung gefördert.
Der Weg in die Überproduktion war wieder offen.
Nicht zu bestreiten: Das waren Zeiten für tüchtige Landwirte und ihre Berater. Die fachliche Beratung muß Lehrerinnen, Lehrer und Berater sehr befriedigt haben, denn Erfolge blieben nicht aus.
Die Produktionssteigerung in den dreißiger Jahre, vollbracht von tüchtigen Landwirten, unterstützt von Schule und Beratung, gelenkt von Fachleuten beim Reichsnährstand, bei Genossenschaften und Handel, hat die Ernährung während des 2. Weltkrieges fast bis ins letzte Kriegsjahr gesichert.
Die inl
ändische Getreideproduktion der Vorkriegsjahre deckte nahezu den Bedarf, und die zusätzlichen Getreideeinfuhren ermöglichten seit 1937 eine in gleicher Höhe anwachsende Vorratshaltung.
Die Hungerjahre kamen erst 1945 und später, als die Volkswirtschaft total zusammengebrochen war.

2. Die Landwirtschaft von 1950 bis heute

Der Wiederaufbau der Landwirtschaft wurde nach dem 2. Weltkrieg erst mit einigen Jahren Verzögerung 1948 durch die Währungsreform ausgelöst.
Die Landwirte und ihre Berater mußten nach über einem Jahrzehnt wirtschaftlicher Autarkie total umdenken.
Das gelang denen schneller, die nach Aufhebung der Reisebeschränkungen ins Ausland, nach Dänemark, Schweden und vor allem in die USA fahren konnten, um die Entwicklung der dortigen Landwirtschaft zu studieren und zu verstehen.
Aber auch die Daheimgebliebenen fanden bald den Anschluß an den Weltstandard. Wie ist ihnen das gelungen ?

Die Steigerung der Erträge

Wie in der Vergangenheit war es auch nach 1950 und ist es noch heute öknomisch richtig, ertragssteigernde Betriebsmittel vermehrt einzusetzen, solange der Mehraufwand durch einen Mehrertrag gedeckt wird.
Die naturwissenschaftliche Gesetzmäßigkeit vom abnehmenden Ertragszuwachs ist durch immer neue naturwissenschaftliche Entdeckungen und Entwicklungen scheinbar überlistet worden,
so daß ständig ein noch höherer Ertrag, z.B. je Hektar Getreide oder je Kuh, lohnender ist.
Jeder rechnende Landwirt war und bleibt gezwungen, Ertragssteigerungen anzustreben, also intensiver zu wirtschaften. Höhere Erträge sind eine Grundlage der rentablen Landwirtschaft.
Auf dem Acker wurden noch gezielter als früher die Nährstoffentzüge durch die Früchte mit verstärkter Handelsdüngerzufuhr ausgeglichen. Zeitweise tat man sogar des Guten zuviel, indem die Düngungsempfehlungen nach Bodenuntersuchungsergebnissen überschritten wurden, und die wirtschaftseigene Gülle aus einer vermehrten Viehhaltung als Abfall beseitigt und nicht als Düngemittel beachtet wurden. Die ökologische Bewegung der jüngsten Zeit verhalf den Landwirten wieder zu einem wirtschaftlich und naturgemäß richtigen Verhalten. Aber ohne Nährstoffersatz geht es nicht.
Einen starken Schub in der Ertragssteigerung brachten die chemischen Pflanzenschutzmittel, deren privatwirtschaftlich ökonomischer Nutzen unbestritten ist, deren gelegentliche umweltfeindliche Überdosierung zunehmend kritisch gesehen werden muß . Aber ohne Chemie geht es nicht mehr.

Wie eine Schraube ohne Ende ist mit dem naturwissenschaftlichen Fortschritt die Landbewirtschaftung der Kulturflächen immer intensiver geworden..Auch die angestrebte Ertragssteigerung in der Viehhaltung erhielt Auftrieb durch neue naturwissenschaftliche Erkenntnisse auf dem Gebiet der Fütterungslehre und in der Genetik. Nachdem der züchterische Fortschritt durch die künstliche Besamung die Leistungsanlagen der Tiere in der breiten Landeszucht enorm gesteigert hatte, bestimmten vorwiegend Haltung und Fütterung der Tiere, wieviel kg Milch, wieviel kg Fleisch, wieviel Eier sie produzieren konnten. Können und Wissen der Landwirte in der Zucht und in der Fütterung brachten auch in der Viehhaltung Erfolge :

 

Milchleistung je Kuh und Jahr

Manchen erscheint die stete Intensivierung und Ertragssteigerung unheimlich, und es mehren sich die Stimmen, die dem Wirtschaftszweig Landwirtschaft aus vielerlei Gründen eine Extensivierung verordnen möchten.
Dabei ist zu bedenken:
Alle staatlichen Eingriffe , die auf eine Ertragssenkung je Hektar oder je Tier abzielen, vermindern gleichzeitig die privatwirtschaftliche und volkswirtschaftliche Rentabilität, wenn sie den naturwissenschaftlich-technischen Fortschritt und seine sinnvolle Anwendung behindern. Letzlich bestimmt die Europäische Agrarpolitik, bei welcher Intensitätsstufe der Grenzertrag Null erreicht ist.

Die Mechanisierung

Der Abstand der Mechanisierung gegenüber Amerika hatte sich seit dem 1. Weltkrieg bis 1950 weiter vergrößert.
Zwar war die deutsche Landwirtschaft, selbst in den Kriegsjahren, zunehmend mit Traktoren beliefert worden, aber 1948 hatten in unseren Dörfern nur einige größere Betriebe und einzelne Genossenschaften Traktoren.
Wie bereits beschrieben, war eine stärkere Mechanisierung bis zu diesem Zeitpunkt auch gar nicht sinnvoll, da die Löhne im Vergleich zur amerikanischen wie auch zur schwedischen Volkswirtschaft niedrig waren.
Der Verfasser dieser Schrift besichtigte 1954 in Schweden einen Getreide-Hackfruchtbetrieb mit 2 ständigen Arbeitskräften und 4 Schleppern für spezielle Einsatzzwecke.
Ungläubig bestaunte der Eingeborene eines Landes mit technisch unterentwickelter Landwirtschaft die vermeintlichen Auswüchse ungehemmter Technisierung.
Im gleichen Maße, wie unsere Volkswirtschaft dank weiterer Industrialisierung gesundete und die Volkseinkommen stiegen, verteuerte sich auch die Arbeitskraft.
Mit steigenden Lohnkosten ersetzte die Technik nach und nach viele Handarbeitsgänge in der landwirtschaftlichen Produktion.
Die Maschine war nicht nur billiger, sie verrichtete manche Arbeitsgänge auch sorgfältiger und verlustloser.
Am meisten profitierten die Großbetriebe von der Technisierung. Sie konnten mechanisieren, gleichzeitig Löhne einsparen und witterungsabhängige Außenarbeiten mit weniger Arbeitskräften als vorher endlich termingerecht bewältigen.
Aber auch die mittel- und großbäuerlichen Betriebe ersetzten Lohnarbeitskräfte durch technische Hilfsmittel und wurden zwangsläufig zu Familienbetrieben, die heute angeblich ein Leitbild der Agrarpolitik sind, aber weiterhin der Technik wegen ( sie macht es möglich) je Arbeitskraft und je Betrieb mehr produzieren, also wachsen müssen.
Wer den Familienbetrieb auf seine politischen Fahnen geschrieben hat und glaubt, ihn statisch konservieren zu können, der täuscht sich und andere.
Dank relativ günstiger Agrarpreise vollzogen Kleinbetriebe ebenfalls , wenn auch mit Verzögerung, die Mechanisierung der Produktion.
Heute können sie bei sinkenden Preisen als Vollerwerbsbetrieb kaum mithalten, wenn ihnen die Produktionsmenge fehlt.
Trotz Abwanderung vieler Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft wuchs die Agrarproduktion in Deutschland und in dem seit 1958 erweiterten Wirtschaftsraum der EG.
Die Ökonomie der Mechanisierung und das nachgebende Preisniveau lösten einen Wandel der Betriebsgrößen und der Betriebsstrukturen aus, der im nächsten Abschnitt anzusprechen ist.

Die Betriebswirtschaft

Die Betriebswirtschaft mußte sich total um- und neuorientieren. Steigende Lohnkosten verteuerten die Arbeit überproportional. Das erforderte eine andere Bewertung der Arbeitsproduktivität.
Die Einkommen der Landwirte hingen zunehmend davon ab, wie produktiv sie und ihre Familien im Betrieb tätig waren.
Der dazu notwendige Einsatz der Technik mit den Festkosten erzwang zur Ausnutzung der Kostendegression größere Produktionseinheiten.
Dieses Ziel wurde zunächst erreicht, indem die Betriebe sich auf wenige Betriebszweige spezialisierten.
Ganz typisch dafür ist die heutige Betriebsorganisation der Ackerbaubetriebe, die den Acker durch die vollmechanisierten Früchte Getreide und Raps nutzen und bei unzureichender Flächenausstattung den Einkommensbedarf zusätzlich durch Einkünfte aus der Schweinehaltung decken.
Die Spezialisierung verbesserte die Gewinnsituation der Betriebe, erhöhte aber auch das innere (Fruchtfolge) und das äußere (Markt) Risiko.

Heinz Dobert, der damalige Leiter der Kammerberatung, bemühte sich unermüdlich, die Spezialisierung der Betriebe zu fördern.
"Fünf mal Meier" überschrieb er ein Buch, in dem er 5 spezialisierte Betriebstypen vorstellte

Die Spezialisierung allein reichte in vielen Betrieben nicht zur optimalen Nutzung des technischen Fortschrittes.
Zwar konnten die Landwirte durch überbetrieblichen Maschineneinsatz die Maschinenkapazitäten teilweise dem Bedarf anpassen, aber etliche Maschinen, z.B. Schlepper, schufen nach ihrem Neukauf immer wieder zusätzliche Kapazitäten, mit denen man mehr produzieren konnte. Außerdem erhöhten sich die Arbeitsbreiten der Maschinen ständig.
So begannen die Landwirte in einer 2. Phase die Produktion auszuweiten, indem sie Flächen von ausscheidenden Landwirten pachteten und die Viehbestände aufstockten.

Die Struktur der Betriebe, die Bodennutzung und der Viehbestand hat sich in den letzten 50 Jahren grundlegend geändert.

 

Die Konzentration der Agrarproduktion in zahlenmäßig weniger werdenden Betrieben wird zuweilen mit dem Schlagwort "wachsen oder weichen" verketzert und verteufelt.
Landwirte sollten sich mit diesem Schlagwort nicht manipulieren lassen. Tüchtige Landwirte fühlen sich nicht "zum Wachstum verurteilt", sondern sehen im Wachsen eine Chance.
Die Technik ermöglicht, daß immer weniger Menschen mit immer weniger Muskelkraft immer mehr produzieren.
Ein Blick zurück bestätigt uns: Das ist kein Fluch sondern ein Segen.
Kein Wirtschaftszweig kann in technisch überholten Strukturen verharren, sondern muß sich stetig anpassen, auch die Landwirtschaft nicht.
Zwei Beispiele verdeutlichen 35 Jahre mit dynamischer Anpassung der Landwirtschaft an die naturwissenschaftlich-technische Fortentwicklung, ohne "Führerbefehl", in freier unternehmerischer Entscheidung.